1971 Herbst

Carolinum
Historisch-literarische Zeitschrift

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(37.) 35. Jahrgang Nr. 60-61

Inhaltsverzeichnis
  • Albrecht Dürer - Selbstbildnis in der Alten Pinakothek in München [Gedicht] Josef Weinheber Von meiner Stirne geht das deutsche Licht. / Die Schläfenfurche Traum und Grübeln spricht. / Durchsichtig fast, der Braue ferner Schwung / nennt heilig unsre Überlieferung.
  • Albrecht Dürer (1471-1528) Gustav H. Piehler Albrecht Dürer erschien und erscheint uns auch heute noch als "der deutsche Künstler". Sicherlich steckt Wahrheit in dieser Auffassung. Aber wenn wir uns ihn, wie es die Romantiker früher taten und vielleicht manche heute noch tun, als einen Menschen vorstellen, der in Nürnberg in einem gesicherten Leben und in Muße seinen Gedanken und seinem Schaffen nachging, so befinden wir uns auf einem Irrwege. Jeder wahre Künstler trägt bei der hochempfindsamen Art, die ihm das Schicksal mitgab, mitgeben mußte, eine immer wiederkehrende Unruhe in sich, die ihn zu hohen Zielen führt, aber auch die Gefahr in sich birgt, in Tiefen zu sinken.
  • Reise nach Griechenland (II) - Frühjahr 1969 Johannes Overbeck Peloponnes. Über Megara und Korinth erreichen wir die Peloponnes. Hier liegen in der fruchtbaren, reich bebauten Ebene der Argolis die alten Burgen von Mykene und Tiryns, untrennbar verbunden mit dem Namen Schliemanns, der durch seine Ausgrabungen die bis dahin völlig unbekannte Kultur des 2. Jahrtausends v. Chr. erschloß. Diese heroische Landschaft ist das Land der Atriden. Die Schicksale von Agamemnon, Menelaos, Helena, Iphigenia, Electra und anderen boten den Dichtern bis in die Neuzeit unerschöpflichen Stoff für unsterbliche Werke.
  • Heinrich Schliemann - Zur 100. Wiederkehr des Jahres der ersten Ausgrabungen auf Troja 1871 Gustav H. Piehler Ober Heinrich Schliemann, unseren berühmtesten Schüler, sind schon viele Bücher geschrieben und werden noch immer weitere Forschungen und Untersuchungen angestellt, wie es bei derart hervorragenden Menschen nicht anders sein kann. So hat auch unser Mitarbeiter Prof. Dr. William G. Niederland von der Staatsuniversität New York, der seit vielen Jahren unermüdlicher Schliemannforscher ist, versucht, sein Wesen vom tiefen-psychologischen Gesichtspunkt noch genauer zu erklären und uns sein Denken und Leben näher zu bringen, als er am 9. Juli 1971 seinen Vortrag in der Universität Göttingen hielt.
  • Von Geist und Gestalt der attischen Tragödie Walter Sauter In Wort und Gestalt der athenischen Tragödien erreichte die griechische Aussage über den Menschen einen nicht wieder erklommenen Gipfel. Er ragt zwischen dem Ursprungsland alles Sagens, dem Heldenepos Homers, und den philosophischen Tragödien in den Dialogen Platons. Kein Wort hier über die vielberufene Entstehung, Geburt, Entwicklung dieser einmaligen und unverwechselbaren Kunstschöpfung, darüber denn auch Aristoteles in seiner Poetik nach griechischer Weise als wie über etwas Unerhebliches schweigt mit dem lapidaren Satze, daß die Tragödie mancherlei Wechsel durchmachte, bis daß sie ihre eigene Natur fand.
  • Heinrich Schliemann - Leben und Werk in tiefenpsychologischer Sicht William G. Niederland Daß Heinrich Schliemann zu den bedeutenden Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts gehört - das dürfte auch über den verhältnismäßig begrenzten Kreis jener, die archäologisch, historisch, vorgeschichtlich und kulturgeschichtlich interessiert sind, bekannt sein. Aber was weiß selbst der so Interessierte an Geschehnissen und Einzelheiten über den inneren und äußeren Werdegang dieser an schöpferischen Leistungen so reichen und doch in manchem noch heute umstrittenen Persönlichkeit - eben nicht selten gerade in archäologischen Kreisen stark umstrittenen Persönlichkeit?
  • Kurze Geschichte des II. Bataillons Großherzoglich-Mecklenburgischen Grenadier-Regiments 89, Neustrelitz Jesko von Puttkamer Am 8. März 1701 wurden dem damaligen Herzog Adolf Friedrich II. von Mecklenburg-Strelitz im Hamburger Vergleich die Rechte eines regierenden Reichsfürsten verliehen, mit Sitz und Stimme im Reichstag. Nach den Reichsmatrikeln hatte der Fürst ein gewisses Kontingent zu den Reichstruppen zu stellen. Schon am 23. März 1701 errichtete der Herzog daraufhin eine "Leib-Garde" zu Fuß (Leibkompagnie) zu 100 Mann. Daneben bestand ein Trabantencorps und eine Leibgarde zu Pferde, die aber später aufgegeben wurden. Die Garnison der Leibkompagnie wurde Strelitz (Alt).
  • 100 Jahre danach. Fritz Reuter, die Reichsgründung und ein preußischer Oberst Otto Lemke Fritz Reuter, der gütige, hilfsbereite, tatkräftig Handelnde tritt vor mich, als mir eine Mappe mit der Aufschrift des Namens des Dichters in die Hand fällt. Die dunklen Tage des Jahres lassen mich wie keine andere Zeit nach Wegen suchen, die in die Heimat führen. Wurde das Tor diesmal aufgestoßen durch eine Ansichtskarte, die ein Freund aus Bad Stuer am heimatlichen Plauer See schrieb? Meine Gedanken bleiben bei "Bräsig in de Waterkunst" hängen, lösen sich jedoch, als mir ein Brief vor Augen kommt, der mir vor Jahren in Abschrift überreicht wurde.
  • Vision [Gedicht] G. H. Piehler Herr, du mein Hort / und du mein Fels! / Wie oft nur / hab ich dich verworfen, / hab dich verleugnet / und verlacht, / und immer wieder / botst du mir die Hand, / und stets aufs neu / warst du auf mich bedacht.
  • Über den Ursprung und die Geschichte Malchins (XI). Malchin gegen Ende des 14. Jahrhunderts Ulrich Fischer Bei der Wiedergabe von zufällig erhaltenen Urkunden aus dem Mittelalter, die uns Auskunft geben über die Ereignisse und Zustände im östlichen Mecklenburg, insbesondere über den Ursprung und die Geschichte Malchins , sind wir bis zum Ende des 14. Jahrhunderts gekommen. Die Zeit liegt nun schon fast 600 Jahre zurück. Doch was besagt diese Feststellung schon?
  • Prof. Dr. Roloff und der Gewerbeverein. Der Geist des Mechanischen Zeitalters bricht sich in Neustrelitz Bahn Annalise Wagner 1846! Das war eine Zeit, da hatte Neustrelitz noch keine Eisenbahn, weder Gas noch Elektrizität, keine Telegraphen, und nur zwei Chausseen. Eine führte nach Berlin, die andere nach Neubrandenburg. Wer in Berlin zu tun hatte, fuhr mit der Post, die abends von Neustrelitz abfuhr und am anderen Morgen gegen 7 Uhr beim Oranienburger Tor in Berlin ankam. So große Eile in den Geschäften und der Nachrichtenübermittlung wie heute hatte niemand. Trat einer eine Berlin-Reise an, dann war das eine aufregende Sache, man verabschiedete sich von allen Verwandten und Bekannten, denn man wußte nie, wie das Abenteuer ausgehen würde.
  • Nachruf für Friedrich Siems Hans Erdmann Wenn sich jemand fände und meine auf das 19. Jahrhundert bezogene Arbeit über die Mecklenburgische Schulmusik für das zwanzigste fortsetzte, er müßte für die zwanziger und dreißiger Jahre dem Wirken des Schulmusikers Friedrich Siems einen breiten Platz in seinen Ausführungen gewähren. In diesen beiden Jahrzehnten unseres Jahrhunderts ist Friedrich Siems für das Land Mecklenburg-Schwerin ein maßgeblicher schulmusikalischer Anreger gewesen.
  • Ein unvergessener Heimatforscher. Walter Gotsmann zum Gedenken R. Barly Die Einweihung des Walter-Gotsmann-Steines auf den Hellbergen über dem Tollensetal zur zehnten Wiederkehr des Todestages dieses unvergessenen Heimatforschers, Heimatführers und Naturschützers von hohem Rang, läßt die Gedanken auf kennzeichnende Einzelheiten in der Erinnerung an ihn zurückgehen. Walter Gotsmann war von jungen Jahren an ein Botaniker von gutem Ruf.
  • Die Reiher von Trebbow Klaus Giese Westlich Groß Trebbow zieht sich gleich hinter der schmalen Wiesenniederung unterhalb des Ortes ein Hügelrücken in Nord-Süd-Richtung hin. Kleine Kusselkiefern überziehen ihn, und am Fuße steht eine alte, knorrige, halbvertrocknete Stieleiche, auf der der Bussard gerne aufblockt und die Krähen auf ihren Streifzügen rasten. Der Baumfalke schießt über die Kusseln hin und jagt buntschillernde Libellen. Die Heidelerchen dudeln im Frühling beseligend und in den dämmrigen Nächten um den Johannistag schnurrt die Nachtschwalbe ihr hölzernes Lied.
  • Über das Gelage bei Familienfeiern im Fürstentum Ratzeburg Kurt Bernhard Es ist nicht ohne Bedeutung, daß bereits in den im Anschluß an die Kirchenvisitationen des 16. und 17. Jahrhunderts gegebenen Dekreten von der Kanzel herab gegen die Orgien gewettert wurde, die bei Familienfeiern und sonstigen festlichen Veranstaltungen zur Regel geworden waren. Aber auch die späteren landesherrlichen Verordnungen, die nicht nur von den Kanzeln verkündigt, sondern auch in den Wirtshäusern öffentlich angeschlagen wurden und deren Nichtbeachtung mit Gefängnis oder "mit nachdrücklicher Leibesstrafe, mit Stellung am Kirchenpfahl und nach Beschaffenheit der Umstände mit Stockschlägen bestraft werden" sollten, erwiesen sich als völlig fruchtlos.
  • Besuch im Neustrelitzer Karbe-Wagner-Archiv Bernd Funck Das alte schöne Bürgerhaus in Neustrelitz, Gutenbergstraße 3, ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Denkmal des alten Mecklenburg. Dies ist es nicht so sehr als Zeuge aufstrebenden Bürgertums, als vielmehr durch die Schätze, die es in seinen Mauern bewahrt. Ja, es sind Schätze, die da in etwa 15jähriger Forschertätigkeit von Walter Karbe und Annalise Wagner zusammengetragen, geordnet und der Öffentlichkeit zur Verfügung gestellt wurden.
  • Bücher und Buchbesprechungen
  • Dem Schriftsteller Richard W. Eichler zum 50. Geburtstag Zu jenen, die Kunst noch ernst nehmen und sich nicht mit Modetorheiten oder Formenspielen zufriedengeben, gehört Eichler. Was ihn von den zahlreichen Unzufriedenen unterscheidet, ist Sachkenntnis und die Begabung, seine Einsichten schlüssig und verständlich auszusprechen. Hier liegt der Grund für den Erfolg seiner Bücher.
  • Das Stiftungsfest Erna Blaas Das Stiftungsfest. Stimme des Gefallenen: / O ihr, meine lebenden Brüder, / die ihr der Toten gedenkt, / die ihr die blühenden Stirnen / vor unseren Namen senkt, - / laßt es dabei nicht bewenden, / betrauert zugleich unsre Welt, / die in ein ungeheures, / dunkles Verhängnis gestellt!
  • Korvettenkapitän a. D. Hermann Brunswig + Gustav H. Piehler Am 29. April 1971 verstarb im 88. Lebensjahr nach schwerem Leiden, das ihn 80 Tage hilflos ans Bett fesselte, allein betreut von seiner geliebten Gattin, unser Caroliner Korvettenkapitän a. D. Hermann Brunswig. Er lebte im fernen Südamerika in Pasteur (Buenos Aires).
  • Der Shakespeare-Übersetzer Prof. Dr. h. c. Rudolf Schaller 80 Jahre alt Hans Georg Heun Der Shakespeare-Ubersetzer Prof. Dr. h. c. Rudolf Schaller, der am 16. August 1971 das achte Lebensjahrzehnt vollendete, wurde in Halle an der Saale geboren. Er wuchs dort in dem Waisenhaus der Franckeschen Stiftung auf. Mit 21 Jahren ergriff er den Beruf des Journalisten. Seine Lehrjahre waren Wanderjahre, die ihn von Halle über Posen, Kiel, Mannheim, Hamburg, Münster (Westfalen) nach Schwerin in Mecklenburg führten, wo er jetzt lebt.
  • Fahrt ins Studentenleben Gustav H. Piehler Das Abiturientenexamen war glücklich bestanden, das Studium gewählt. Und das nächste Ziel, die Musenstadt, stand von vornherein fest. Es war die am fernsten von der Heimat liegende Universität Freiburg i. Breisgau, wo der dunkle Schwarzwald lockte und der schönste Kirchturm der Welt wie Filigran am Münster emporragte.
  • Fröhliche Erinnerungen aus Neustrelitz Hans Meese Sehr geehrter, lieber Herr Piehier! . . . Sie haben recht insofern, als die mitbekommene Liebe zur holden Musica wohl auf "erbliche Belastung" zurückzuführen ist; denn auch schon mein Großvater Schünemann war Musiker. Er wie Vater allerdings zu Buraids Zeiten. Die Kapelle war ja eigentlich keine Militär-, sondern eine Privatkapelle der Frau Großh. Augusta Caroline, die sich auf einer Europareise ihren Kapellmeister aus Ungarn, einen Magyaren, besorgt hatte. Der aber kam nicht und schickte einen Vertreter, eben Burald, der mit einem großen Hund und einem kleinen Handkoffer und keinem bißchen Deutsch in Nstr. ankam.
  • Spätsommer [Gedicht] Gustav H. Piehler Fern der klare Himmel, / schon die Zeitlos' / blüht, / über Bruch und Heide / Hauch des Sterbens / zieht.
  • Einsam [Gedicht] Gustav H. Piehler Es steigt die Morgenröte / aus dunklem, / tiefem Schoß. / Pan lockt / mit leiser Flöte, / die Welt wird weit / und groß.
  • Der Senior unser Neustrelitzer Lehranstalten Professor Dr. Carl Sass + Gustav H. Piehler Mit 97 Jahren verschied in Arolsen Prof. Dr. Carl Sass. Während alle seine Altersgenossen und Jugendfreunde schon das Zeitliche gesegnet hatten, ragte er wie ein einsamer Turm noch in die Welt hinein.
  • Dieser Morgen [Gedicht] Goede Gendrich - und unberührte Dinge gibt es kaum, / und alle Worte sind / in tausend Mäuler schon genommen / und sind dabei um ihren Glanz gekommen / und stehen blaß und blind im Raum;
  • Uns´ plattdütsch Eck
  • Das Mecklenburgische Carolinum und das alte Marburg Gustav H. Piehler Seit dem 2. Weltkrieg ist die europäische Welt durcheinandergeschüttelt worden, Deutschland in zwei Teile gespalten, und die ehemaligen Schüler mancher im Osten gelegenen Gymnasien haben sich hier im Westen wiedergefunden und zusammengeschlossen. So ist es auch mit den Carolinern der Fall. 1954/55 hatte sich eine kleine Gruppe von ihnen zusammengetan, wozu bald der alte Staatsminister von Mecklenburg-Strelitz, Dr. Roderich Hustaedt, stieß, der übrigens der Initiator des großartigen Neubaus vom Jahre 1925 und der Wiedervereinigung des Humanistischen und des Realgymnasiums in Neustrelitz war und nun auch die Führung in der Sammlung ehemaliger Schüler und Schülerinnen zu einer geschlossenen Carolinerschaft übernahm.
  • Der Pianist Prof. Konstantin Mexis Hans-Peter Range Man unterzieht sich keiner Mühe, sondern es bedeutet besondere Freude, wenn man Veranlassung hat, über diesen überaus kultivierten, sensiblen und akkuraten Klavierspieler zu berichten, von dem leider die "Musikwelt" so gut wie nichts weiß! Angesichts der Qualifikation dieses Künstlers bedeutet es wahrhaftig Verpflichtung gegenüber der Kunst, Professor Konstantin Mexis einmal vorzustellen, zumal er mit manchen anderen hochtalentierten Kollegen leider der großen Gruppe jener "Unbeachteten" angehört, denen Bescheidenheit, Zurückhaltung und Unaufdringlichkeit eigen, ja nahezu selbstverständlich sind, Merkmale, die in unserer heutigen Welt skrupellos verdrängt werden und nichts gelten.
  • Ein Frühjahr [Gedicht] Fritz Hagemann O dieser Frühling kommt so kalt und stumm, / Die Tage grau in den Geästen hängen. / Und an den Teichen geht das Mondlicht um. / Wie zaghaft sich die ersten Knospen drängen.
  • Standort [Gedicht] Carl Guesmer Warum fürchtest du / die Veränderungen, da / du in ihnen lebst; / stehen die Uhren kopf, / warum sollen die Bilder / keine Rahmen haben?
  • Schulausflug zur Insel Rügen 1923 oder 1924 [Foto] Waltraud Krieger Frl. Schlüter (Lehrerin), Frau Ehrig, Studienrat Ehrig, Anneliese Sievert, Elfriede Koll, Käthe Mähl, Edith Behrend?, Ruth Hirtzel, Charlotte Petersen I, Charlotte Borchert, Anneliese Stehlmann, Susanne Cramer, Herta Rietzke, Waltraut v. Bronsart, Anneliese Götze, Charlotte Petersen II, Maria Graack, ? Evers, Else Radders, Waltraud Laue, Irmgard Tensfeld, Charlotte Wegner, Alexandra Thiessenhusen, Dagmar v. Anrep, Marie Luise Riebe!, Elfriede Wils, Eva Krüger.
  • Im Krieg besonders ausgezeichnete ehemalige Schüler des Carolinum